Ich komme nach Hause. Ich liebe meinen Beruf. Aber heute hatte ich einen langen und anstrengenden Tag, der mich total gefordert und gestresst hat. Ich habe Hunger. Ich habe sogar GROSSEN Hunger. Deshalb führt mich mein erster Weg direkt in die Küche und zum Kühlschrank. Kurz denke ich daran, dass es in einer Stunde sowieso Abendessen gibt. Aber es fällt mir nicht schwer, diesen Gedanken gleich wieder weiterziehen zu lassen. Mein Körper, meine Seele – jede einzelne Zelle – schreien nach Futter. Und dann esse ich, was der Kühlschrank hergibt. Ich denke nicht darüber nach, was ich esse. Wichtig ist in diesem Moment nur, dass ich etwas esse. Leider steht im Kühlschrank noch ein großes Stück Kuchen, da mein Mann am Vortag Geburtstag hatte. In Nullkommanix habe ich es vertilgt.
Als mein Heißhunger gestillt ist, geht es mir gar nicht gut. Ich habe zu viel, zu schnell und das Falsche gegessen. Was mir normalerweise gut gelingt, nämlich auf meinen Körper und meine Bedürfnisse zu hören und mich gesund zu ernähren, ist komplett ausgeblendet, wenn mich eine Heißhungerattacke erwischt. Mein Körper ist dann auf Autopilot geschaltet, bis er mit ausreichend Nahrung versorgt ist. Wobei das nicht stimmt – bis er mit zu viel Nahrung versorgt ist. Nach einer Heißhungerattacke reiben wir uns oft verwundert die Augen und fragen uns, wie es überhaupt soweit hat kommen können und warum wir so dermaßen die Kontrolle über uns verloren haben. Um das zu verstehen, schauen wir uns am besten an, wie Hunger überhaupt funktioniert.
So funktioniert Hunger
Hunger ist erst einmal nichts Negatives. Hunger ist ein überlebenswichtiges Signal unseres Körpers, das uns zeigt, dass er Nahrung beziehungsweise Nährstoffe benötigt. Dazu arbeiten verschiedene Hormone und Botenstoffe in einem komplexen System, das seine Zentrale in unserem Gehirn im Hypothalamus hat, zusammen. Direkt nach der Nahrungsaufnahme speichert unser Körper in Leber und Muskeln Glucose in Form von Glycogen. Sobald die Glucose in unserem Blut verbraucht ist, wandelt unser Körper dieses Glycogen wieder in Glucose um. Sinken die Glycogenspeicher, bekommen wir Hunger. Denn ohne Glucose kann unser Gehirn nicht überleben, und ohne Glucose kann in den Mitochondrien unserer Zellen keine Energie erzeugt werden.
Wenn wir dann etwas essen, signalisiert unser Magen unserem Gehirn über sogenannte Mechano-Rezeptoren, dass er voll ist. Gleichzeitig prüfen Chemo-Rezeptoren, welche Nährstoffe im Nahrungsbrei enthalten sind. Das ist der Grund dafür, dass wir beispielsweise von Süßigkeiten sehr große Mengen essen können, ohne satt zu werden. Der Körper bekommt zwar ausreichend Energie, aber andere wichtige Stoffe wie Eiweiße oder Vitamine fehlen. Es reicht also nicht aus, irgendetwas zu essen, wir sollten uns auch möglichst abwechslungsreich und ausgewogen ernähren, damit unser Körper mit dem Nährstoffangebot zufrieden ist.
Heißhungerattacken kommen schnell und plötzlich
Wie kommt es nun zu Heißhungerattacken? Dafür gibt es unterschiedliche Ursachen. Zum einen spielt unser Blutzuckerspiegel eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Heißhungerattacken. Wenn wir beispielsweise Süßes essen oder eine Limonade trinken, gelangt der darin enthaltene Zucker sehr schnell in unser Blut. Unser Blutzuckerspiegel steigt sehr schnell an und sinkt genau schnell wieder ab. Es kommt zu einer Unterzuckerung unseres Körpers. Jetzt reagiert unser Gehirn mit Panik und sorgt mit einer Heißhungerattacke dafür, dass wir es schnell wieder mit Glucose versorgen.
Es kann aber auch andere Ursachen geben. Die eine oder andere kennt das vielleicht aus der Schwangerschaft. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals oft vor dem offenen Kühlschrank stand und mir eine saure Gurke nach der anderen einverleibt habe. Das liegt daran, dass uns bestimmte Nährstoffe wie beispielsweise Mineralstoffe oder Vitamine fehlen und unser Körper uns eine Heißhungerattacke schickt, damit wir seine Bedürfnisse nicht ignorieren können. Auch wenn wir unser Hungergefühl zu lange ignorieren, kann dies zu einer Heißhungerattacke führen. Oft führen auch negative Gefühle wie Langeweile, Trauer oder Depressionen dazu, dass wir unkontrolliert essen. In diesem Fall dient Essen als Ersatzbefriedigung. Stress spielt bei der Entstehung von Heißhungerattacken ebenfalls eine wichtige Rolle.
So sagt man Heißhungerattacken den Kampf an
Auch wenn Heißhungerattacken scheinbar ganz plötzlich über uns kommen, können wir dennoch einiges tun, um diese zu vermeiden beziehungsweise dafür zu sorgen, damit diese nicht allzu häufig auftreten. Hier die wichtigsten Punkte:
- Einfache Kohlenhydrate meiden. Zuckerhaltige Lebensmittel wie Süßigkeiten, Limonaden, Säfte oder Gebäck aber auch einfache Kohlenhydrate, wie sie beispielsweise in hellem Brot, Nudeln oder weißem Reis enthalten sind, sind der Hauptgrund für Heißhungerattacken. Kohlenhydrate sollten wir deshalb am besten in Form von Vollkornprodukten zu uns nehmen, da die darin enthaltene Glucose in Ballaststoffe eingebunden ist und deshalb langsamer ins Blut abgegeben wird.
- Ausgewogen ernähren. Mit einer ausgewogenen Ernährung versorgen wir unseren Körper mit allen Nährstoffen, die er braucht. So vermeiden wir, dass er in Panik gerät und uns mit Heißhungerattacken zeigt, dass ihm etwas fehlt. Zu einer ausgewogenen Ernährung gehören vor allem Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Vollkornprodukte, je nach Ernährungsweise ergänzt durch kleine Mengen Fisch, Milchprodukte und Fleisch.
- Regelmäßige Mahlzeiten. Wenn unser Körper regelmäßig mit Nährstoffen versorgt wird (am besten immer zu den gleichen Zeiten), kann er ganz in Ruhe abwarten, bis er die nächste Mahlzeit bekommt. Denn auch unser Körper und unser Hungergefühl sind Gewohnheitstiere und kommen leicht in Stress, wenn man ihre Erwartungshaltung enttäuscht.
- Gründlich kauen, langsam essen. Wenn wir essen, dauert es ungefähr 15 Minuten, bis sich ein Sättigungsgefühl einstellt. Wenn wir unser Essen hinunterschlingen, haben wir bis zu diesem Zeitpunkt meist viel mehr gegessen, als wir eigentlich brauchen, um satt zu werden. Unser Körper gewöhnt sich an die großen Mengen und verlangt immer mehr Nahrung von uns.
- Ausreichend schlafen. Schlafmangel führt zu einem erhöhten Ghrelin-Spiegel. Ghrelin ist der Gegenspieler zu Leptin und sorgt dafür, dass wir hungrig sind. Regelmäßiger und ausreichender Schlaf macht also nicht nur fit und gesund, sondern auch satt.
- Stress vermeiden. Zu viel Stress bringt nicht nur unseren Hormonhaushalt durcheinander. In stressigen Zeiten neigen wir generell dazu, uns zu wenig um uns selbst zu kümmern und nicht mehr auf unsere Bedürfnisse zu achten. Als Folge dessen lassen wir gerne mal eine Mahlzeit ausfallen, oder essen schnell mal nebenher einen Schokoriegel, was wiederum zu Heißhungerattacken führt. Deshalb sollten wir in unseren Alltag immer wieder kleine „Ruheinseln“ integrieren, damit der Stress nicht zu große Macht über uns bekommt.
- Bitterstoffe essen. Bitterstoffe tragen dazu bei, dass unsere Verdauung besser funktioniert und hemmen gleichzeitig unseren Appetit. Bitterstoffe sind beispielsweise enthalten in Chicorée, Rucola, Rosenkohl, Brokkoli, Grünkohl, Mangold, Spinat, Grapefruit, Oliven und in vielen Kräutern wie Petersilie, Koriander oder Brennnessel sowie in Gewürzen wie Zimt, Pfeffer, Kurkuma, Senfkörnern, Ingwer oder Schwarzkümmel.
Wir können also einiges tun, damit uns Heißhungerattacken nicht allzu oft ereilen. Gerade wenn wir abnehmen wollen, sollten wir in erster Linie auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung achten. Wenn wir erst einmal in einer Heißhungerattacke stecken, haben wir keine Kontrolle mehr über unseren Körper. Es nützt auch nichts, wenn wir nach einer solchen Attacke mit uns selbst hadern. Es ist nun einmal passiert, und wir können es nicht mehr ändern. Aber es ist durchaus hilfreich, sich nach einer Heißhungerattacke darüber Gedanken zu machen, was der Auslöser für unseren Hungeranfall war. Daraus können wir dann leicht ableiten, was wir zukünftig verändern sollten.
Mir hilft es beispielsweise, Stress zu vermeiden und regelmäßige Mahlzeiten zu mir zu nehmen, um nicht in die Heißhungerfalle zu geraten. Aber alle Menschen sind unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, das jeder seine persönlichen Heißhunger-Trigger herauszufindet. Wenn wir es schaffen, unsere Gewohnheiten entsprechend zu verändern, werden wir uns wohler und gesünder fühlen und mit der Zeit auch das eine oder andere überschüssige Pfund abnehmen. Außerdem ist es ein sehr gutes Gefühl, selbst bestimmen zu können, wann und was wir essen und nicht von unserem Körper dazu gezwungen zu werden.