Wir Frauen sind einfach unschlagbar. Egal welche Herausforderungen oder Probleme uns im Alltag begegnen, wir nehmen sie an und managen sie erfolgreich. Multitaskingfähig wie wir sind, auch gerne mehrere gleichzeitig. Stress ist uns nicht unbekannt, aber wir können damit umgehen. Besser gesagt, wir konnten damit umgehen. Denn nun sind sie da, die Wechseljahre, und plötzlich führt Stress bei uns zu Hitzewallungen und einem Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung. Viele Frauen kommen sogar an die Grenze ihrer Belastbarkeit und stehen kurz vor einem Burnout – oder sind schon mittendrin. Deshalb ist es gerade für uns Frauen in den Wechseljahren wichtig zu verstehen, wie Stress auf uns wirkt und was wir gegen die negativen Folgen von Stress tun können.
Schweißgebadet und mit mehreren Einkaufstaschen beladen schließe ich die Wohnungstür auf. Beim Versuch, den Schlüssel mit allen Taschen in der Hand in die Schale an der Garderobe zu befördern, fällt mir eine Tasche aus der Hand und der Inhalt ergießt sich über den Fußboden. Als ich auf allen Vieren fluchend die Sachen wieder einsammle, kommt eine pubertäre Stimme aus dem Off: „Mama, was gibt’s zum Essen?“ Das ist der Moment, in dem ich ausraste. Über das, was sich mein Sohn in diesem Moment anhören muss, hülle ich lieber den Mantel des Schweigens. Als meine Schimpftirade endlich beendet ist, oder besser gesagt: als ich mal Luft holen muss, sagt mein großer vernünftiger Sohn ganz gelassen: „Mama, ich kann nichts dafür, dass Du im Stress bist. Lass das bitte nicht an mir aus.“ Das nimmt mir den Wind aus den Segeln, und ich frage mich, wann ich eigentlich so dünnhäutig geworden bin. Früher konnte ich doch gut mit den unterschiedlichsten Herausforderungen gleichzeitig umgehen.
Wechseljahre und Stress
Wir Frauen in den Wechseljahren sind im Gegensatz zu unseren Müttern und Großmüttern meist wirtschaftlich unabhängig, konnten unser Leben so gestalten wie wir wollten und uns in vielerlei Hinsicht selbst verwirklichen. In der Regel haben wir eine gute Ausbildung, haben beruflich einiges erreicht, und viele von uns haben parallel dazu auch noch Kinder groß gezogen. Selbstverständlich kümmern wir uns auch noch – sofern vorhanden – um unseren Partner oder Partnerin. Auch für unsere Freundinnen und Freunde sind wir da, wenn sie uns brauchen. Und dann sind da ja auch noch unsere Eltern, die inzwischen in die Tage gekommen sind und zunehmend unserer Hilfe bedürfen. Wir können also wirklich stolz auf das sein, was wir erreicht haben, wie wir die alltäglichen Herausforderungen managen und wie wir immer irgendwie alles auf die Reihe kriegen.
Aber plötzlich ist alles anders. Wir sind in den Wechseljahren und weit davon entfernt, Stress mit Leichtigkeit zu begegnen. Oft führt Stress bei uns nun zu Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Herzklopfen, Unruhe und Schlaflosigkeit. Durch die hormonelle Umstellung können wir mit Stress einfach nicht mehr so gut umgehen. Und unser Körper zeigt uns das deutlich. Wird jetzt zusätzlich zu der schon beachtlichen Vielzahl an Herausforderungen beispielsweise auch noch ein Elternteil zum Pflegefall oder wir bekommen eine neue Chefin, die uns das Leben zur Hölle macht, kommen wir ganz schnell an unsere Grenzen und finden uns plötzlich an der Schwelle zu einem Burnout wieder.
Die Ursachen und Folgen von Stress
Aber was ist eigentlich Stress und wie wird er ausgelöst? Stress ist ein Zustand oder besser ein Gefühl, das durch äußere Stressoren ausgelöst wird und dafür sorgt, dass die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol freigesetzt werden. Was diesen Prozess auslöst und wie stark der Körper reagiert, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Stressoren können eine bevorstehende Prüfung sein, Streit mit dem Partner, Druck bei der Arbeit, ein Trauerfall oder ganz banal die täglichen Herausforderungen des Alltags, die überhand nehmen und uns permanent unter Druck setzen.
Auch wenn wir Stress heutzutage als etwas Negatives empfinden, brauchen wir Stresshormone und können ohne diese nicht leben. So sorgt Cortisol beispielsweise dafür, dass wir hellwach sind, uns gut konzentrieren können und leistungsfähig sind. Stresshormone stellen auch sicher, dass wir in lebensbedrohlichen Situationen angemessen reagieren können: Unser Blutdruck und unsere Atemfrequenz werden erhöht und unser Glucosespiegel im Blut steigt, damit die Muskeln ausreichend Energie zur Verfügung haben. Unser Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt und ist so in der Lage, Gefahrensituationen angemessen zu begegnen und erfolgreich die Flucht anzutreten oder zu kämpfen.
Problematisch wird Stress allerdings, wenn er zum Dauerzustand wird. Oder anders ausgedrückt, wenn uns Ruhephasen fehlen und unser Körper in permanenter Alarmbereitschaft bleibt. Dann wird Cortisol zu unserem Dauerbegleiter, was fatale Folgen haben kann:
- Wir leiden unter Bluthochdruck und erhöhten Blutzuckerwerten,
- wir schlafen schlecht,
- unser Immunsystem schwächelt, und wir leiden beispielsweise unter wiederkehrenden Infekten,
- wir können uns nicht mehr richtig konzentrieren, sind unruhig und nervös und
- wir schaffen es nicht mehr abzunehmen oder nehmen sogar kontinuierlich zu.
Mit Hochdruck in die Wechseljahre
Wir Frauen fühlen uns oft für alle und alles verantwortlich. Und es ist ja auch wirklich großartig, wie wir scheinbar mit Leichtigkeit Beruf und Familie und noch vieles andere mehr unter einen Hut bringen. Das sorgt allerdings auch dafür, dass die meisten Frauen bereits unter Hochdruck in die Wechseljahren starten und dann feststellen, dass sie von heute auf morgen mit der Situation komplett überfordert sind. Denn nun sinkt die Östrogenproduktion und stürzt unser ohnehin schon labiles Gleichgewicht ins Chaos. Unser Hormonsystem, das alle unsere Körperfunktionen steuert, ist nämlich sehr komplex. Alle Hormone haben große Auswirkungen auf unseren Körper und beeinflussen sich auch gegenseitig. Und wenn auch nur ein Hormon nicht mehr richtig funktioniert, wird das gesamte System in Mitleidenschaft gezogen.
Wenn nun unser Körper die Hormonumstellung, die die Wechseljahren mit sich bringen, meistern muss, und gleichzeitig permanent mit Cortisol geflutet wird, wirkt sich das fatal auf unser Wohlbefinden und auch auf unsere Gesundheit aus. Unser Körper läuft quasi permanent unter Hochdruck, ohne dass er sich angemessen erholen kann. Als Folge davon geht irgendwann gar nichts mehr. Wir fühlen uns müde und ausgelaugt, und uns fehlt einfach die nötige Energie, um unser Leben mit Freude genießen zu können. Das heißt aber nicht, dass wir Stress wehrlos ausgesetzt sind und gar nichts tun können, um aus diesem Zustand wieder herauszukommen.
Stress mit Leichtigkeit meistern
Um wieder mehr Ruhe und Gelassenheit in unser Leben zu bringen, sollten wir uns darüber klar werden, was uns Stress bereitet und was wir in unserem Leben verändern sollten. Der einen reicht es vielleicht, täglich einen kleinen Spaziergang in ihren Alltag zu integrieren, während die andere sich möglicherweise einen neuen Job suchen muss, um wieder mehr Leichtigkeit in ihr Leben zu bekommen. Oft haben wir in den Wechseljahren gleich mehrere Baustellen, die es zu bearbeiten gilt. Deshalb sollten wir uns bewusst machen, was uns am meisten stresst, welche Themen wir selbst in der Hand haben und verändern können und was wir als erstes angehen wollen.
Denn gerade in herausfordernden Situationen sollten wir uns Zeit nehmen und einen Schritt nach dem anderen gehen. Wir müssen auf keinen Fall alles auf einmal verändern. Jede einzelne Veränderung zählt und führt dazu, dass wir den Stress in unserem Leben reduzieren können und dass es uns wieder besser geht. Wenn wir versuchen, alles auf einmal anzugehen, kann das leicht dazu führen, dass wir noch mehr Druck empfinden und der Schuss sozusagen nach hinten los geht. Deshalb sollten wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen, und ein Thema nach dem anderen angehen. Und für jeden kleinen Erfolg sollten wir uns feiern und richtig stolz auf uns sein.
Mehr Zeit für uns
Auch wenn wir nicht gleich unseren Job kündigen können und es auch so manche Herausforderung gibt, der wir uns einfach stellen müssen, so können wir doch schon einiges für uns tun, wenn wir uns einfach mehr Zeit für uns selbst nehmen. Stress kann uns weit weniger anhaben, wenn wir unserem Körper regelmäßig ausreichend Gelegenheit geben, zur Ruhe zu kommen. Denn dann kann er das überschüssige Cortisol wieder abbauen und sich erholen. Wenn uns das gelingt, fühlen wir uns ausgeglichener und können den alltäglichen Herausforderungen wieder mit mehr Gelassenheit und Leichtigkeit begegnen. Was uns dabei wirklich hilft, ist wiederum sehr individuell. Hier ein paar Anregungen:
- Sport: Wenn wir uns bewegen, werden Stresshormone abgebaut. Eine Sporteinheit kann wie ein Reset wirken. Wir bekommen unseren Kopf frei und können so manche Sorge und manchen Kummer hinter uns lassen. Dabei muss man nicht gleich joggen gehen. Auch ein Spaziergang im Wald kann schon sehr hilfreich sein. Außerdem stärkt Sport und Bewegung unsere Knochen und hilft uns dabei, unser Gewicht unter Kontrolle zu halten. Das ist für uns Frauen in den Wechseljahren ja auch nicht ganz unwichtig.
- Gespräche: Wir alle wissen, wie gut es tut, mit einem lieben Menschen über unsere Sorgen und Nöte zu sprechen. Der liebevolle Kontakt zu anderen Menschen führt zur Ausschüttung des Kuschel- und Bindungshormons Oxytocin, das wiederum unseren Cortisolspiegel reduziert. Deshalb sollten wir uns gerade in stressigen Situationen regelmäßig mit Menschen umgeben, die uns gut tun und mit denen wir offen über unsere Probleme reden können.
- Auszeiten: In stressigen Zeiten ist es hilfreich, sich ganz bewusst kleine Auszeiten in den Alltag zu integrieren. Wie wäre es beispielsweise mit einer regelmäßigen Massage? Oder vielleicht sollten wir uns endlich zu dem Yogakurs anmelden, den wir schon lange machen wollten? Es ist egal, für was wir uns entscheiden. Alles, was uns gut tut, hilft.
- Gesunde Ernährung: Gerade, wenn wir unter Druck stehen, ist es wichtig, gut für unseren Körper zu sorgen. Denn dann brauchen wir besonders viele Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Leider neigen wir in der Regel dazu, uns von Fast Food und Süßigkeiten zu ernähren, wenn wir gestresst sind. Aber unser Körper wird es uns danken, wenn wir ihn gerade jetzt mit vielen Vitalstoffen verwöhnen. Also anstatt Süßigkeiten lieber Obst und Nüsse naschen und zu jeder Mahlzeit möglichst viel Gemüse essen.
- Nichtstun: Und dann sollten wir uns auch unbedingt genügend Zeit nehmen, einfach mal nichts zu tun. Was so einfach und banal klingt, ist heutzutage gar nicht so leicht. Denn sobald wir einmal nichts zu tun haben, greifen wir meist ganz automatisch zu unserem Handy. Deshalb müssen wir das Nichtstun schon fast wieder richtig lernen. Das können wir hervorragend üben, wenn wir beispielsweise das nächste Mal beim Arzt im Wartezimmer sitzen. Wir lassen das Handy bewusst in der Tasche und tun einfach: nichts. Es ist erstaunlich, wie wohltuend das sein kann.
Das wichtigste aber ist, das wir auf unseren Körper und unsere eigenen Bedürfnisse achten. Denn letztendlich ist es ganz individuell, was uns Stress bereitet und was uns wiederum dabei hilft, diesen abzubauen und zu entspannen. Jeder kleine Schritt zählt und tut uns gut. Und wenn wir erst einmal die Erfahrung gemacht haben, wie wohltuend es ist, beispielsweise regelmäßig Sport zu treiben, fällt uns der nächste Schritt schon viel leichter. Und so finden wir Stück für Stück zu mehr Ruhe und Gelassenheit zurück, die wir gerade in den Wechseljahren so dringend brauchen.
Ich habe mich übrigens an jenem hektischen Tag erst einmal mit meinem Sohn und einer Tasse Tee auf den Balkon gesetzt. Gemeinsam haben wir überlegt, was wir leckeres zum Essen kochen könnten. Und selbstverständlich habe ich mich für meine Schimpftirade bei ihm entschuldigt. Das war der Start in einen ruhigen und völlig stressfreien Abend.
Wie sehr ich das kenne, bzw mich nicht mehr kenne. Morgens ist es am schlimmsten. Nervös unruhig, das Gefühl einen Marathon starten zu müssen und seit Monaten Magendruck. Das alles sollen die Wechseljahre sein? Seit 2 Wochen nehme ich nun Refimin plus in der Hoffnung ich merke bald Ruhe….
Vielleicht geht es mehreren so…
Wunderbar geschrieben 🙂 VIELEN DANK !!!
Ich habe mich sehr darin wiedergefunden und etwas „Mut“ geschöpft, da ich ja offensichtlich gar nicht alleine bin mit meiner derzeitigen „Annormalität“, die mir ja zu allen Nebenwirkungen dann auch noch immer das Gefühl gibt, ich sei zu dumm für alles und jedes…
Einige Tipps (z.B. der Yogakurs) hatte ich tatsächlich schon umgesetzt, aber ich werden mich künftig in den Stress-Situationen meines Wechselweibdaseins gerne an Ihre Zeilen erinnern und versuchen mich entsprechend runterzuregulieren 😉
Alles Liebe,
Anja Metzner
Liebe Anja,
herzlichen Dank für Dein liebes Feedback! Die Wechseljahre sind eine echte Herausforderung. Aber ich bin überzeugt, sie können die besten Jahre unseres Lebens werden.
Alles Gute für Dich und liebe Grüße
Eva