Wieder ein Brief von Plan International. Das Patenkind unserer Familie heißt Nawal und lebt im Sudan. „Ich bin dabei, ich schreib!“, heißt die Aufforderung in dem Plan-Anschreiben. Jetzt sehe ich mein schlechtes Gewissen auch noch schwarz auf weiß vor mir.
Wir haben die Patenschaft schon einige Jahre und noch kein einziges Mal an Nawal persönlich geschrieben. Fühlt sich an wie so ein Gut-Mensch-Alibi. 30 Euro im Monat und nix dahinter. Verantwortung heucheln, schlechtes Gewissen verkaufen? Ist ja auch eine irre Entfernung: Alaga Semidesert – Hamburg.
Ich bin grad ein bisschen ratlos. Patenschaft kündigen und dafür die 30 Euro irgendwo hier in der Nähe einsetzen? Gutes tun – will das eigentlich jede von uns? Was bedeutet dieses Gut? Notlagen beheben, in Lücken preschen, spenden, sich gebraucht fühlen oder vielleicht auch Fähigkeiten, Begabungen nutzen für die Belange anderer? Jede von uns hat doch eigentlich genug um die Ohren.
Um Menschen unterschiedlichster Couleur zusammenzubringen – auch eine Art, Gutes zu tun – haben meine Cousine und ihre Freundin neulich in ihrer Kirchengemeinde einen Kochabend organisiert. Zu diesem „meet & eat“ trafen sich fast 100 Menschen aus der Gemeinde oder Umgebung. Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen. Sogar einige Jugendliche, feier-wütige Paare in den Vierzigern, natürlich viele Senioren, die allein kamen. Zwei Rollstuhlfahrer. In vielen Gesichtern stand zu Beginn des Abends Unsicherheit und Zweifel geschrieben. Und ich muss gestehen, mein Mann und ich haben auch zunächst nach der Fluchttür Ausschau gehalten. Und dann noch zu Beginn ein Kennenlernspiel. Hilfe! Jeder zog ein Los, auf dem ein Songtitel stand. Die Songs gehörten einer Gruppe an. Also zum Beispiel „Ihr Kinderlein kommet“ – logisch, das war die Weihnachtsliedergruppe. Die einfache Variante. Die Grenzen zwischen Schlager und Volkslied waren dann allerdings etwas schwammiger. Wir waren aufgerufen, möglichst unter lautem Singen unseres Songs, unsere Mitstreiter zu finden. Ein irres Durcheinander, aber ruckzuck hatten sich unter lautem Gegröle und viel Gelächter die Kochgruppen gefunden.
Gruppenfoto machen, eine vorher gepackte Kiste mit Kochzutaten und Rezept greifen und dann Aufbruch zu einer Gastküche, in der zwei Gänge dieses meet&eat-Menüs gekocht werden sollten. 14 freundliche Gastgeber hatten sich im Vorfeld gefunden, die bereit waren ihr Zuhause für unbekannte Gäste zu öffnen. Das war echt cool, mit meiner ehemaligen Mathelehrerin, einer Mutter aus früheren Krabbelgruppenzeiten und fünf Unbekannten in einer fremden Küche zu stehen und zu kochen. Da gab es keine peinlichen Schweigemomente. Alle waren beschäftigt und wir hatten an diesem Abend die abgefahrensten Gesprächsthemen zu fassen. So ganz nebenbei. Kochen und gemeinsam essen verbindet einfach. Und alles war toll vorbereitet.
Anschließend wurden wir wieder im Gemeindehaus erwartet – zu einem köstlichen Dessert-Buffet. Viele hatten im Vorfeld schon die tollsten Nachtische gezaubert und mitgebracht. Die Organisatoren waren während des Kochens von Küche zu Küche gedüst und hatten Fotos und Videos gemacht. Dieses Sammelsurium gemeinsam dann auf großer Leinwand anzuschauen war der Stimmungshöhepunkt. Plötzlich hatten alle miteinander ein Gesprächsthema, tauschten sich aus über die Einzelheiten des Abends und über vieles mehr. Kein Wunder, dass mit dem ersten Ton Musik, der aus den Lautsprechern drang, ein Tanzabend seinen Anfang nahm, der erst in den Morgenstunden enden sollte.
Ich habe lang darüber nachgedacht, was das Besondere dieses Abends war. Die Idee hat einfach funktioniert. Aber ich glaube, der großartige Zauber lag darin, dass viele bereit waren – mit großem oder auch kleinem Einsatz – mitzuhelfen. Für andere. Vielleicht bin ich das nächste Mal eine davon.
Es müsste doch mehr von diesen Ideen geben. He da draußen im weiten Netz. Wer weiß etwas? Was imponiert euch, was findet Ihr scheinheilig? Dieser Blog sollte es wissen…
Neugierig grüßt
Lisa