Ich erinnere mich noch gut an eine Situation vor vielen Jahren, als ich noch als Führungskraft in einem großen Konzern arbeitete. Wir Führungskräfte sprachen mit unserem Chef über unserer Mitarbeiter*innen. Eine meiner Kolleginnen berichtete von einer Mitarbeiterin, die aktuell krankgeschrieben sei, weil sie unter einem Burnout litte. Da sagte mein Chef in tiefstem Schwäbisch auf seine bekannt unsensible Art: „Heut hat doch jeder sei Burnoutle.“ Was im ersten Moment witzig klang und ihm auch den einen oder anderen Lacher einbrachte, war im Grunde genommen alles andere als lustig. Es zeigt aber ein Problem auf, das viele Menschen mit Burnout gut kennen: Sie werden mit ihren Symptomen oft nicht ernst genommen.
Keine eigenständige Krankheit
Hinzu kommt, dass ein Burnout nach der ICD-Klassifikation (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der WHO nicht als eigenständige Krankheit oder psychische Störung eingeordnet wird, sondern lediglich als „Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt“. In der aktuellen Version ICD-11, die seit Anfang 2022 gültig ist aber in Deutschland noch nicht angewandt wird, findet sich nun wenigstens eine Definition für Burnout.
Dort wird der Burnout ganz eindeutig dem beruflichen Umfeld zugeordnet und als eine Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz beschrieben. Die Betroffenen fühlen sich erschöpft, haben keine Energie mehr und empfinden eine immer größere Distanz zur Arbeit sowie Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf ihre Arbeit. Gleichzeitig haben sie das Gefühl, immer weniger Leistung und Ergebnisse zu erbringen. Aber wie kann es überhaupt soweit kommen, dass jemand sich so „ausgebrannt“ fühlt und nicht mehr in der Lage ist, seine Leistung zu erbringen?
Die Ursachen eines Burnouts
„Nur wer einmal richtig gebrannt hat, kann ausbrennen.“ So wird die Ursache eines Burnouts oft beschrieben. Das bedeutet, dass gerade Menschen, die sich beruflich überdurchschnittlich engagieren, besonders gefährdet sind „auszubrennen“. Dabei ist die Gefahr groß, dass die Krankheit nicht frühzeitig erkannt wird. Denn ein Burnout entsteht nicht von heute auf morgen, sondern ist in der Regel die Folge eines langen Prozesses. Es dauert unter Umständen Jahre, bis ein Idealist seine Energie und Begeisterung verliert. Und es sind oft viele äußere Faktoren, die dazu beitragen.
Berufliche Überlastung, mangelnde Wertschätzung, Benachteiligung durch Vorgesetzte oder Kolleg*innen, Mobbing, Konflikte, fehlende Unterstützung sowie hoher Zeitdruck tragen ihren Teil dazu bei, dass der Akku leer läuft. Hinzu kommen meist noch innere Faktoren, die in der Person des Betroffenen liegen. Viele der Burnout-Gefährdeten neigen zu Perfektionismus, überfordern sich gerne selbst, haben ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, neigen zur Selbstkritik und Selbstzweifel und können häufig schwer nein sagen. Wenn nun noch die Wechseljahre mit Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen dazukommen, entsteht ein gefährlicher Mix.
Woran erkenne ich einen Burnout?
Gerade weil die Betroffenen oft sehr leistungsorientiert sind, merken sie meist erst „wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, dass etwas nicht stimmt. In der Regel suchen sie sich erst, wenn sie völlig erschöpft sind und ihren Alltag nicht mehr richtig bewältigen können, Hilfe und gehen vielleicht auch zum Arzt. Dabei gibt es meist schon frühe Warnsymptome wie innere Unruhe, Schlafstörungen oder Kopfweh. Gerade wenn man für seinen Beruf „brennt“, sollte man auf keinen Fall darüber hinweggehen, wenn man plötzlich morgens Probleme hat aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.
Wenn man es gewohnt ist, immer Höchstleistung zu bringen, hört man natürlich auch nicht damit auf, wenn sich die Wechseljahre langsam bemerkbar machen und diese die letzte Energie rauben, die man noch hat. Viele Frauen versuchen trotz Wechseljahresbeschwerden weiterhin in allen Bereichen alles möglichst perfekt hinzukriegen. Die zunehmende Müdigkeit, die langsam in eine Erschöpfung übergeht, wird häufig ignoriert und frau strengt sich einfach noch ein bisschen mehr an. Wenn nun noch eine weitere Belastung hinzukommt wie Beispielsweise der Tod eines Elternteils, ist der Burnout nicht mehr fern. Die Betroffenen fühlen sich nun völlig erschöpft, der Akku ist einfach leer.
Burnout oder Depression?
Ein Burnout ähnelt in vielen Bereichen einer Depression. Antriebslosigkeit, Schwermut, niedergedrückte Stimmung und auch Müdigkeit können sowohl auf eine Depression als auch einen Burnout hinweisen. Auch ziehen sich die Betroffenen beider Krankheitsbilder häufig zurück und isolieren sich sozial. Ständige Gereiztheit ist wiederum ein Zeichen, das eher auf einen Burnout hinweist. Und auch wenn die Hauptursache der Beschwerden im Arbeitsumfeld liegt, weist das auf einen Burnout hin.
Eine Depression unterscheidet sich wiederum in einigen Punkten deutlich von einem Burnout. So sind ein vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen recht eindeutig einer Depression zuzuordnen. Auch sind Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, meist antriebslos und können an kaum etwas mehr Freude empfinden. Burnout-Erkrankte sehnen sich hingegen oft nach etwas, was sie vielleicht früher einmal gerne gemacht haben.
Wechseljahre und Burnout
Viele Frauen sind es jahrelang gewöhnt, sich um alles und jeden zu kümmern. Sie kümmern sich um Kinder, Partner, Eltern, Freundinnen und häufig viel zu wenig um sich selbst. Die meisten stehen außerdem noch in ihrem Beruf tagtäglich ihre Frau. Gerade wenn man, wie viele Frauen mit Familie, in Teilzeit arbeitet, ist die Belastung am Arbeitsplatz oft besonders hoch. Häufig wird von diesen Arbeitnehmerinnen genauso viel erwartet wie von den Kolleg*innen in Vollzeit. Gleichzeitig fehlt jedoch die entsprechende Unterstützung und Anerkennung. Das sind quasi ideale Bedingungen für einen Burnout.
Kommen nun noch die hormonbedingten Symptome der Wechseljahre wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen hinzu, kann dies der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Viele Um-die-50-Jährige überlegen sich deshalb, ihren Job zu wechseln oder sogar – wenn möglich – gar nicht mehr zu arbeiten und in den Frühruhestand zu gehen. Das hat zumindest eine Befragung von über 2000 Frauen im britischen Finanzsektor ergeben. Sage und schreibe ein Viertel der befragten Frauen gab an, wegen Wechseljahresbeschwerden über einen Jobwechsel nachzudenken oder früher in den Ruhestand gehen zu wollen.
Erste Schritte in die richtige Richtung
Im Zeichen des Fachkräftemangels ein Viertel ihrer meist gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeiter*innen zu verlieren, ist für viele Unternehmen ein echtes Schreckensgespenst. Das hat offensichtlich viele Firmen wachgerüttelt. Deshalb hat nun die Bank of Ireland als erstes Unternehmen angekündigt, Frauen in den Wechseljahren bis zu zehn zusätzliche Urlaubstage pro Jahr zu gewähren. Außerdem sollen die Führungskräfte der Bank geschult werden, wie sie betroffene Mitarbeiterinnen unterstützen können. Weitere Unternehmen wollen diesem Beispiel folgen.
Auch wenn es sicherlich erfreulich ist, dass das Thema Wechseljahre mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft rückt und Frauen hier tatkräftige Unterstützung bekommen, sollte der Fokus aber in erster Linie auf dem Arbeitsumfeld dieser Frauen – und natürlich auch der männlichen Kollegen – liegen. Erst einmal sollte alles unternommen werden, dass es erst gar nicht soweit kommt. Einer Frau, die aufgrund jahrelanger Belastung völlig erschöpft ist, hilft es zwar, wenn sie sich einige Tage zu Hause ausruhen kann. Aber sie wird weiter auf einen Burnout zusteuern, wenn sich an den Arbeitsbedingungen, die sie nach ihrer Auszeit vorfindet, nichts ändert.
Die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen
Da die Themen Burnout und Wechseljahre in unserer Gesellschaft und den meisten Unternehmen immer noch viel zu wenig Beachtung finden, ist es umso wichtiger, dass wir Frauen in den Wechseljahren gut auf uns selbst aufpassen. Wir sollten achtsam mit uns selbst umgehen, damit wir frühzeitige Warnsignale rechtzeitig erkennen und nicht über sie hinweggehen. Liegt man beispielsweise jeden Abend lange wach, weil sich das Gedankenkarussel im Kopf um den nächsten Arbeitstag dreht oder um den Chef, der wieder mal nicht gesehen hat, welch großartiges Ergebnis man beim letzten Projekt erreicht hat, ist das ein wirklich ernstzunehmendes Warnsignal.
Die Lösung sollte auf jeden Fall nicht darin bestehen, sich bei der Arbeit einfach noch ein bisschen mehr anzustrengen. Vielmehr lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen, warum man nachts wach liegt, warum es einem nicht gut geht und wie man sein Arbeitsumfeld und sein Leben so verändern kann, dass es einem besser geht. So kann man beispielsweise an seinen inneren Faktoren arbeiten und seinen Perfektionismus zurückschrauben. Man kann auch in den Konflikt gehen und die gewünschte Anerkennung durch seinen Chef einfordern (wenn es dafür überhaupt Erfolgsaussichten gibt). Aber man kann sich auch entscheiden, die Wechseljahre als Chance für eine Veränderung zu nutzen und über eine Jobwechsel nachdenken.
Die Wechseljahre sind auf jeden Fall die ideale Zeit, unsere Bedürfnisse und unser Wohlbefinden in den Vordergrund zu stellen und entsprechende Entscheidungen treffen. Und wir müssen ja nicht gleich unseren Job kündigen. Vielleicht fangen wir einfach damit an, uns regelmäßig Auszeiten und Zeit nur für uns selbst zu nehmen.
Vielen Dank für Ihren Artikel. Ich glaube das ich mich genau in diesem Artikel wiederfinde.
Ich bin 56 Jahre alt, Vollzeit berufstätig und im Büro ständig im Stress. Stress weil ich alles richtig machen will, Fehler gestehe ich mir nicht ein. Wenn ich etwas nicht weiß oder keine Lösung habe, zweifle ich an mir und meiner Leistung. Ich stelle in Frage ob ich überhaupt meine Stelle (im gehobenen nichttechnischen Dienst) verdient habe. Ich leide sehr unter Ohrgeräuschen und Schmerzen in den Gelenken, ich habe ständig Muskelkrämpfe und liege oft nächtelang wach.
Mein Mann rät mir mich vom Arzt krankschreiben zu lassen um einfach mal zur Ruhe zu kommen, für mich wäre das allerdings ein Armutszeugnis, das ich nicht fähig bin mitzuhalten. Ich weiß einfach nicht ob es ok wäre wenn ich dem nachgebe und für eine Zeit mal zu Hause bleiben sollte.
Ihr Artikel zeigt mir das meine Situation kein Einzelfall ist, dafür danke ich Ihnen.