Das Thema Gewicht und Abnehmen ist wohl mit eines der verwirrendsten und komplexesten Themen, wenn man sich die schiere Anzahl an Informationen dazu ansieht. Zu den Gründen für Übergewicht gibt es zig unterschiedliche Ansätze und die Lösungen sind teils komplett widersprüchlich. Um abzunehmen soll man zum Beispiel weniger essen, aber bloß nicht zu wenig, sonst geht der Körper in den Energiesparmodus. Am besten morgens ordentlich kohlenhydratreich frühstücken, um den Stoffwechsel anzukurbeln… oder besser gar keine Kohlenhydrate, und schon gar nicht abends nach 18 Uhr. Obst und Gemüse allerdings auf jeden Fall, und zwar mindestens fünf Portionen am Tag. Am besten verteilt auf ganz viele Mahlzeiten, um den Stoffwechsel auf Trab zu halten … oder doch besser maximal drei Mahlzeiten, um den Insulinspiegel zu senken? Oder soll man Abnehmen besser ganz bleiben lassen, weil Jojo-Diäten schädlich sind und ohnehin 95 % der Abnehmer wieder zunehmen? Ein bisschen Übergewicht ist außerdem viel gesünder, als dem Magerideal zu entsprechen … oder? Und dann gibt es noch Bedingungen, unter denen Abnehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt ist: Krankheiten wie Schilddrüsenunterfunktionen beispielsweise. Oder bei Frauen: Die Wechseljahre.
Liest man sich als Frau die Listen mit typischen Wechseljahrssymptomen durch, findet sich neben „Stimmungsschwankungen“, „Hitzewallungen“ oder „Schlafstörungen“ auch so gut wie immer „Gewichtszunahme“ in der Aufzählung. Und als Symptom der Wechseljahre, so wird zumindest implizit vermittelt, sind diese verantwortlich für die Zunahme. Vermutlich, weil sich irgendetwas im Stoffwechsel ändert – immerhin scheint der ganze Körper einen grundlegenden Umbau durchzumachen, da würde diese Vermutung nur Sinn zu ergeben.
Dazu passen auch die Ergebnisse des 13. DGE-Berichts zur Übergewichtsentwicklung, die 2017 vorgestellt wurden: Während jüngere Frauen dem immer deutlicheren allgemeinen Trend zum Übergewicht noch mehrheitlich trotzen, kippt das Verhältnis bei Frauen um Mitte 50 und die normalgewichtigen Frauen werden zur Minderheit.
Ist Gewichtszunahme also ein unabwendbares Schicksal und Abnehmen während oder nach den Wechseljahren ein aussichtsloses Unterfangen?
Den meisten Menschen ist natürlich bewusst, dass die Wechseljahre nicht die Naturgesetze außer Kraft setzen und auch der Körper einer 60-Jährigen noch Energie braucht um das Herz zum Schlagen zu bringen, die Organe zu versorgen und die Körpermaße zu beheizen und zu bewegen. Sechzig Kilo von A nach B zu transportieren kostet immer eine gewisse Menge an Energie, egal ob die sechzig Kilo einem dreißig oder einem sechzig Jahre alten Körper gehören. Entsprechend ist eine Abnahme grundsätzlich in jedem Alter möglich, wenn man weniger Energie zuführt, als der Körper benötigt.
Die Frage ist also weniger, ob es prinzipiell möglich ist, sondern vielmehr, ob die Wechseljahre den Körper auf eine Art verändern, die es wesentlich schwerer macht, abzunehmen – oder nicht zuzunehmen. Sprich: Nur noch am sprichwörtlichen Salatblatt knabbern und jedes Stück Kuchen weiträumig meiden, weil sich allein der Anblick schon auf den Hüften manifestiert?
Betrachten wir, wofür unser Körper Energie benötigt, wird klar, dass eine Veränderung des grundlegenden Energieverbrauchs praktisch nicht möglich ist. Wenn wir inaktiv sind, verbrauchen unsere Organe – hauptsächlich die Leber, das Gehirn und das Herz – Energie, um unseren Körper am Leben zu erhalten. Über 80 % unseres Energiebedarfs wird für die Erhaltung dieser Körperfunktionen benötigt. Hier hat der Körper kaum Stellschrauben, um den Verbrauch drastisch zu senken – zumindest nicht ohne gravierende Symptome von Organversagen zu verursachen.
Auch um jeden Monat die Gebärmutterschleimhaut aufzubauen und schließlich das Gewebe wieder abzustoßen, braucht der Körper Bausubstanz, also Energie. Ein Unterschied in der Energiebilanz, der in und nach den Wechseljahren entsteht, wäre also das Ausbleiben der Regelblutung. Doch auch wenn sich dieser Prozess beeindruckend anhört, ist er praktisch doch relativ gering. Eine normale Regelblutung beinhaltet nur wenige hundert Milliliter Blut. Auf den Tag gerechnet bewegt sich der Unterschied im Kalorienbedarf im unteren zweistelligen Bereich, also kaum ein Bissen Obst.
Und doch ist es richtig, dass der Energiebedarf von Frauen (und Männern) mit zunehmendem Alter und nach den Wechseljahren im Durchschnitt absinkt – und in der Folge im Durchschnitt auch das Gewicht steigt. Irgendeine Änderung muss es also geben.
Die Ursache für diesen Effekt ist recht simpel: Im Durchschnitt bewegen wir uns mit zunehmendem Alter immer weniger. Muskelmasse und Bewegung sind die beiden größten Einflussfaktoren auf unseren Energieverbrauch und beides sinkt im Schnitt im Alter stark ab sowie auch der Stoffwechsel langsamer wird. Durch Inaktivität kommt es zum Muskelabbau und das wiederum führt zu einem Teufelskreis: Weniger Muskelmasse macht Bewegung anstrengender und sorgt bei gleichbleibendem Essverhalten zu Fettaufbau… was wiederum Bewegung anstrengender macht und zu vermehrter Inaktivität führt. Ist dieser Abbau also eine Alterserscheinung? Nein: Vergleicht man körperlich aktive ältere Menschen mit ähnlich aktiven jungen Menschen, unterscheiden sich Körperzusammensetzung und Energiebedarf nicht. Inzwischen gibt es viele Hinweise darauf, dass das, was wir als Folgen des Alters betrachten, in vielen Fällen eigentlich nur Folgen von Inaktivität sind.
Inzwischen gibt es viele Studien, die sich mit (gesundem) Altern beschäftigen. Das übereinstimmende Ergebnis dabei ist: Aktiv bleiben oder auch aktiv werden ist ein zentraler Faktor dafür, im Alter die Gesundheit zu erhalten. Der Fitnesszustand trainierter Achtzigjähriger ist vergleichbar mit dem von inaktiven Menschen im Alter von etwa fünfzig Jahren.