Völlige Ruhe. Keine Kinderstimmen, kein Poltern, keine Musik, die irgendwo läuft. Jedes zweite Wochenende ist es bei mir ziemlich leise. Und auch an einigen Werktagen. Das fühlt sich immer noch sehr ungewohnt an. Schnell das Radio andrehen, damit das Grundrauschen wieder stimmt. Genau das habe ich eigentlich immer gemacht. Ich habe die Stille nicht ausgehalten und dagegen angehalten.
Doch genau das habe ich in einem Mini-Selbstversuch nun ganz bewusst geändert. Kein Dudelfunk, kein Essen vor dem Fernseher. Warum eigentlich ist da so ein Bedürfnis nach vielen Geräuschen? Als Großstadtkind sind mir völlige Dunkelheit und extreme Stille irgendwie unheimlich. Leichte Straßengeräusche, ein wenig Licht gehören doch dazu. Dabei heißt es ja, dass die ständige Berieselung krank macht, nicht ohne Grund gibt es Menschen, die extra Urlaub in Klöstern machen. Also probiere ich das jetzt auch mal.
Stille aushalten als Selbstexperiment
Ich habe die Kraft der Stille für mich mehr oder weniger zufällig entdeckt. Anfang des Jahres habe ich auf einer kurzen Reise gespürt, wie gut es mir tut, viel und lange zu spazieren. Aber ach, so motzte ich, kann ich ja leider zuhause nicht machen, weil ich niemanden finde, der mit mir laufen will. Weder Walking noch Joggen, einfach spazieren gehen. Warum ich das nicht alleine mache? Och. Weil ich mich nicht überreden konnte. Das Wetter war mies. Und überhaupt.
Aber der wahre Grund war die Stille. Denn wenn wirklich nur ein paar Amseln oder freche Spatzen zu hören sind, dann sind da die vielen Gedanken, die in meinem Kopf rasen. Rasantes Kopfkino. Aber als die ersten Sonnenstrahlen zu sehen waren, probierte ich es doch aus. Das Eckchen hier heißt nicht umsonst Walddörfer – in wenigen Minuten stehe ich in der Natur. Und ich habe mein iPhone dabei, um ein paar Fotos zu machen. Ich gucke also intensiv nach schönem Licht, interessanten Hinguckern. Und das macht Spaß. Trotzdem kreisen zig Ideen und Sorgen in meinem Kopf. Genau das wollte ich doch nicht. Aber ich lasse es zu. Ehrlich gesagt nicht unbedingt angenehm.
Manchmal habe ich auch Begleitung, und auch das ist schön, aber mittlerweile machen mir meine Spaziergänge richtig Spaß. Ein kurzes Lufttanken. Manchmal rede ich ziemlich schnell und so denke ich auch. Während der guten Stunde an der Luft ist es am Anfang doch laut. In meinem Kopf und dann – dann ist es wie in einem Konzert. Zunächst werden die Instrumente gestimmt. Vieles erklingt auf einmal und nach und nach sind einzelne Instrumente herauszuhören. Jeder einzelne Klang passt, und aus dem Chaos wird ein sich ergänzenden Ganzes.
Aus dem riesigen Chaos im Kopf wird plötzlich ein großes Ganzes
Die Ideen hüpfen wild im Hirn herum, sortieren sich aber doch. Ich verliere gar keine Zeit, sondern gewinne Klarheit, mit der ich so gar nicht gerechnet habe. Und so, wie ich beim Essen allein am Tisch, ohne Buch, ohne sonstige Ablenkung, ganz bewusst rieche und schmecke, so spüre ich auch in der Stille beim Spazierengehen einiges ganz deutlich. Die Momentaufnahmen zu knipsen – gut, das ist ein wenig Ablenkung. Macht aber Spaß.
Zur Ruhe gehört auch, dass ich in dieser Woche wirklich zwei Tage mit niemandem gesprochen habe. Freiwillig. Ich bin eigentlich dann ganz leise, wenn es mir richtig gut oder richtig schlecht geht. Na gut, wenn ich nachdenke, arbeite oder einfach keiner da ist, dann wohl auch. Aber ich kann ja telefonieren. Freunde besuchen. Auch das ist schön.
Doch dass ich Stille genießen kann und nicht vor ihr flüchte, das ist neu. Wenn es aber nun wieder turbulent und laut wird, dann werde ich das auch klasse finden. Heute Abend jedenfalls geht es in ein Konzert. Da gibt es sicher einiges auf die Ohren und darauf freue ich mich.
Ihre Stefanie