Sex ab 40: Geht‘s jetzt langsam abwärts? Könnte man meinen – ist aber nicht so. „Mit 40 begann für mich die schönste und aufregendste Zeit in meiner sexuellen Biographie“, das hat uns kürzlich Bettina (48) im Rahmen unserer Serie #beziehungsweise erzählt. Nach einer gescheiterten Ehe entdeckte sie erst im fünften Lebensjahrzehnt, was ihr wirklich Lust bereitet, und lebte das zunächst in einer Reihe von Affären aus, jetzt in einer neuen festen Beziehung. Schön und gut – oder: heiß und heftig! – , mögen jetzt manche von euch denken. Aber: Was hat das mit meinem Leben zu tun? Ist das etwa repräsentativ? Das wollten wir auch wissen, haben aktuelle Studien gewälzt und nachgelesen, was renommierte Sexualwissenschaftler dazu sagen. Fakt ist: Älterwerden und Begehren schließen sich nicht aus – ganz im Gegenteil.
Sex ab 40: weniger Schönheitswettbewerb, mehr tiefes Empfinden
Laut einer Langzeitstudie der Uni Leipzig haben nur zwei von drei Deutschen ein aktives Sexleben – vor zehn Jahren waren es noch drei Viertel. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute für uns: Besonders bei den älteren Frauen rappelt es häufig in der Kiste. 42 Prozent aller 60- bis 70-jährigen macht regelmäßig Liebe, vor 20 Jahren waren es erst 32 Prozent. Dafür hatte fast jeder und jede Dritte zwischen 18 und 30 in den letzten 12 Monaten Null komma Null Sex. Wir können uns also freuen: Rein statistisch wird’s noch richtig lustig.
- Je länger, je lieber? Leider nicht: Generell haben Menschen in Langzeitbeziehungen es schwerer, die Lust aneinander zu behalten, als Frischverliebte – dabei spielt das individuelle Alter der Partner aber (fast) keine Rolle. Schöne Aussichten für Singles. Langzeit-Paare sollten dafür sorgen, dass es in ihrem Leben nicht zu harmonisch zugeht, auch im Dienste der Liebe – das rät Paartherapeut Christian Hemschemeier.
- Laut einer Studie der Uni Melbourne verändern die Wechseljahre durchaus das sexuelle Empfinden für Frauen, und nicht zum besseren: Trockenheit, Schmerzen beim Verkehr und andere Funktionsstörungen nehmen zu. Erfahrene Liebhaberinnen wissen allerdings, wie sie damit umgehen können – sie sorgen dafür, dass sie genügend lang erregt werden, manche benutzen auch zusätzliche Gels aus der Apotheke.
- Empty Nesters entwickeln neue Energie: Sexualtherapeuten berichten, dass z.B. nach dem Auszug erwachsener Kinder Paare häufig die Lust an- und miteinander ganz frisch entdecken. Dagegen ist die Phase der Familiengründung eher ein Hindernis für die Lust: Dicht getakteter Alltag, Geld- und Jobsorgen sowie das Bindungshormon Oxytocin ergeben gemeinsam einen Cocktail, der das Verlangen dämpft statt fördert.
- Frauen sind häufig experimentierfreudiger: Die Sexualwissenschaftlerin Ulrike Brandenburg (vor einigen Jahren verstorben) berichtete davon, dass Frauen gerade im fortgeschrittenen Alter neugieriger auf neue Praktiken bleiben als Männer, und sich gerne von erotischen Inszenierungen des Partners überraschen lassen.
- Schönheit sticht Lust: Wer zu sehr mit der Frage beschäftigt ist, ob der eigene Körper Idealmaße hat oder im Bett kameratauglich wirkt, kommt schwerer in Kontakt mit den eigenen sexuellen Wünschen. Als „Sex mit Selfie-Blick“ bezeichnet das der Psychologe, Autor und Trendforscher Stephan Grünewald vom Kölner Rheingold-Institut. Er weiß, wie jüngere Erwachsene heute leben und lieben, und warnt: „Sinnliche Unmittelbarkeit und die Bereitschaft sich komplett fallen zu lassen, gehen verloren. Dafür werden kontrolliert bestimmte Techniken abgespult, die man aus dem Netz kennt. Das größte sexuelle Tabu heute ist, nicht perfekt auszusehen oder keine tolle Performance abzugeben.“ Als Digital Immigrants haben wir’s hier leichter als unsere jüngeren Schwestern: Schließlich wurden wir in einer Zeit sexuell sozialisiert, in der Kameras noch nicht allgegenwärtig waren, und wir haben – hoffentlich! – einen gnädigeren Blick auf uns und unsere nicht mehr perfekten Körper als mit 30. Denn die können uns und unseren Partnern noch eine Menge Spaß bereiten!