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Da war doch was oder? Schluss mit den guten Vorsätzen!

Na? Stella grinste mich frech an. Nun ist das Jahr schon einige Wochen alt. Richtig, rätselte ich vorsichtig, worauf sie hinaus wollte. In den letzten Tagen war sie merklich aufgeräumter, die üblichen Launen ihrer Wechseljahre schienen momentan beherrschbar. Was machen deine Vorsätze!?

Ich erschrak ein bisschen. Meine Vorsätze!? Diesen Jahreswechsel hatten wir nicht gemeinsam feiern können. Ich hatte ein Fest zu organisieren, und nachdem sie keine Lust hatte, die ganze Nacht zuzusehen, wie ich wieder rangelnde Betrunkene höchst diplomatisch trennen oder eine peinliche Panne mit dem Nachschub am Büffet beseitigen durfte, hatte sie beschlossen, mit ihren „Hitzekreis“-Freundinnen über Silvester in die Schweizer Berge zu fahren. Und so konnten wir uns diesmal nicht gegenseitig unserer guten Vorsätze versichern.

Endless Road under a dramatic sky

Zu Silvester ist die Energie groß und die Liste des Vorgenommenen lang. Im Januar beginnt die Erinnerung spröde zu werden, und im Laufe des Jahres zerbröseln alle guten Vorsätze bestenfalls zu grobkörnigen Erinnerungen. Und alles bleibt beim Alten. Deshalb wollte ich dieses Jahr rigoros mit der Tradition brechen und keine guten Vorsätze fassen. Aber diesen Vorsatz wollte ich nicht Stellas Häme aussetzen. So musste ich ein bisschen in meinem Hirn nach einer passenden Antwort kramen. Nun denn, sagte ich dann, meine Vorsätze…

Was war es denn diesmal?, grinste sie. Lass mich raten! Alkoholfreie Wochen? Wieder der bewährte Schlüssel?: Einen Monat im Jahr / eine Woche im Monat / einen Tag in der Woche ohne Alkohol? Oder – abnehmen – vielleicht? Natürlich hatte sie Recht. Wie jedes Jahr hatte ich mir trotz gegenteiligen Vorsatzes doch etwas vorgenommen. Ich hatte mir heimlich vorgenommen abzunehmen, und wie jedes Jahr hatte ich den guten Vorsatz längst stillschweigend ad acta gelegt.

Zwischen den Jahren ist die Muße groß und die Motivation zum Neuanfang ebenso. Schließlich steht ein deutlich gekennzeichneter Neuabschnitt bevor. Regelrecht beflügelt malen wir uns eine ‚bessere‘ Zukunft aus. Ihr Grinsen wurde breiter. Wenn du mich fragst, – ich war noch gar nicht auf die Idee gekommen, sie zu fragen, so gezielt spielte sie die Karte der Überlegenheit – also wenn du mich fragst – ich habe keine Vorsätze gefasst. Treffer.

Du hattest wohl keine Zeit, meinte ich, warst zu beschäftigt mit den wichtigen Themen deiner Freundinnen. Das sollte witzig klingen. Falsch, konterte sie und ihr Lächeln wurde ganz sanft. Wir haben beschlossen, dass jetzt endlich Schluss ist mit den Vorsätzen, die nach vier Wochen ohnehin relativiert werden und die nach zwei Monaten wieder vergessen sind. Aha, sagte ich und dachte, Wechseljahre haben auch ihr Gutes. Sie machen offensichtlich realistischer.

Wir haben die Vorsätze abgeschafft, verkündete Stella stolz. Gut, dachte ich ganz still bei mir. So weit war ich am Jahreswechsel auch schon gekommen. Und stattdessen, fuhr Stella fort, stattdessen haben wir uns Ziele gesetzt.

Aha, sagte ich nochmal, aber diesmal hatte ich keine Ahnung, was sie mir mitteilen wollte. Ich spürte nur, dass sie noch nicht fertig war mit dem Thema. Und ich spürte, dass sie wartete, bis ich nachfragte. Also tat ich ihr den Gefallen. Vorsätze. Ziele. Wo ist der Unterschied? Der Unterschied liegt in der Klarheit, in der Konkretheit. Aha, zum dritten Mal jetzt. Und das bedeutet? Ein Vorsatz lebt aus sich heraus, ist ein nebulöses Etwas, das wie ein Luftballon euphorisch in die Luft schwirrt und dann mehr oder weniger prustend entfleucht, weil die Luft entschwindet. Ein Ziel, das ist konkret, weil es verbunden ist mit einem realistischen Zeitplan, weil es zusteuert auf einen Termin. Wann will es in welchen Schritten umgesetzt werden. Ich setze mir das Ziel, bis zu meinem Geburtstag sechs Kilo abzunehmen. Großzügig bemessen. Das Ziel hatte den Vorteil, dass ihr Geburtstag erst nach der Jahresmitte lag. Warum aber ausgerechnet sechs Kilo?, fragte ich mich irritiert. Doch Stella war noch nicht am Ende. Und ich setze mir das Ziel, bis zum Ostersonntag mit dem Rauchen aufzuhören.

Jetzt war ich doch einigermaßen verblüfft. So konkret hatte noch niemand von uns beiden Vorsätze aufgestellt. Du wirst sehen, das ist nicht nur konkret, das ist auch einfacher als ein Vorsatz. Weil du dein Ziel bei dir selber einfordern kannst. Eine lange Zeit, sinnierte ich möglichst unironisch, ob da nicht wieder der innere Schweinehund obsiegt. Keine Chance, sagte sie. Ich habe nämlich auch Zwischenziele vereinbart. Vereinbart? Mit wem? Mit mir. Aber vor meinen Freundinnen. Alle meine „Heißen Weiber“ sind Zeuginnen … Und was heißt das, Zwischenziele? Das erste kleine Ziel war das erste Kilo. Zum Ende des ersten Monats. Und?, wollte ich wissen, erreicht? Was denkst du denn! Tönte sie fast beleidigt im Brustton tiefster Überzeugung. Natürlich! Und so geht das jetzt Monat für Monat weiter! Sie schüttelte leicht pikiert das Haupt. Nur schade, dass dieses Jahr kein Schaltjahr ist. Hätte ich einen Tag mehr für Etappe Zwei. Aber macht nix, der Februar ist ja schon gleich vorbei. Und die Chancen für das Erreichen von Zwischenziel Nummero Zwei stehen nicht schlecht.

Jetzt verstand ich auch die zunächst scheinbar willkürliche Zahl von sechs Kilo. Sechs Monate – sechs Kilo. Gut, ergänzte sie und schmunzelte schnippisch. Vielleicht brauche ich auch eine Portion Frustrationstoleranz. Dann lebt sich’s leichter. Denn wenn ich ein Zwischenziel nicht ganz erreiche, darf ich mir selber eine kleine Nachfrist gewähren. Am Abend habe ich mich heimlich hingesetzt und mit mir meine Ziele vereinbart. Da gab es gedanklich schon lange drei Pakete. Den Kleiderschrank ausmisten – Frühlingsanfang ist dafür eine gute Ziellinie! Meinen Schreibtisch wollte ich endlich aufräumen und neu organisieren. Stichtag Karfreitag. Gut. Und für mich die schwierigste Aufgabe: Bücherregale durchforsten und entrümpeln, zu viele nicht mehr benötigte Bücher hatten sich da über Jahre angesammelt, von denen ich mich nicht trennen konnte. Das muss bis Urlaubsbeginn zu schaffen sein. Also Fixpunkt 15. Juli. Meine Zielvorgaben traf ich allerdings ohne Zeugen. Aber ich habe sie aufgeschrieben. Ich muss mich ranhalten, schließlich fehlen mir fast zwei Monate. Macht aber nichts. Ich schaffe das. Danke, Stella.

Und wie sieht es bei Ihnen aus?
Herzlich,
Ihr Jörg

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