Gestern bin ich von einem Spaziergang nach Hause gekommen, quasi in Tränen aufgelöst. Ich gehe übrigens in der Regel ausgesprochen gern spazieren. Daran kann es also nicht gelegen haben. Und um es vorweg zu nehmen, es gab keinen wirklichen Grund zum Heulen. Ich würde das mal nebulösen Herbstblues nennen.
Alles wirkte trostlos. Das trübe Schmuddelwetter muss sich wohl mit meinem Hormonhaushalt solidarisiert und dann direkt in mein Selbstbewusstsein gebohrt haben. Die Gewissheit, in wenigen Tagen ins neunundvierzigste Lebensjahr zu starten, traf mich schlagartig. Die Mitte des Lebens? Vielleicht schon darüber hinweg?
Habe mir seit diesem Morgen in den Kopf gesetzt, bewusst Bilanz zu ziehen. Der Blick zurück auf achtundvierzig Jahre ist ein fröhlicher. Und warum sollte der Blick nach vorn jetzt trübe sein? Muss ich mich immer messen an der Jugendlichkeit der vergangenen Jahre? Ich habe im Moment nur so eine Ahnung. Aber jugendlich ist für mich keine erstrebenswerte Eigenschaft mehr. Aber was ich sehr vermisse, ist eine Art von Unbeschwertheit, die mich immer getragen hat. Zuversicht wäre schön.
In diesem Zusammenhang fällt mir die Begegnung aus dem Frühsommer mit einer Frau ein, die mich schon damals sowohl nachdenklich als auch zuversichtlich gestimmt hat. Also die Mutter meines Schwagers, was ja auch jetzt egal ist. Jedenfalls sehe ich sie nur sehr selten. Ich kannte sie von den wenigen Begegnungen mit gefärbten Haaren, immer agil. Mutter von vier Kindern, Großmutter von 13 Enkeln. Jetzt hatte sie graues Haar und sah umwerfend aus – hatte etwas unglaublich Lebendiges im Gesicht.
Wir saßen bei dreißig Grad nebeneinander auf der Bank. Uns lief der Schweiß den Rücken herunter und ich witzelte, na ja – das seien ja wohl die Wechseljahre. Das war für sie das Stichwort mir zu erzählen, dass ihre Wechseljahre ein wichtiger Wendepunkt in ihrem Leben gewesen seien. Sie habe in der Zeit körperlich zu sich gefunden, es ging ihr so blendend wie nie zuvor. Als habe sie auch eine gewisse Last des Frau- und Mutterseins abgeworfen. Von diesem damals neu erworbenen Wohlgefühl profitiere sie heute noch und sie fände es so schade, dass im Zusammenhang mit den Wechseljahren immer nur von Problemen gesprochen werden würde. Und davon, was alles schlechter sei als vorher.
Diese positive Sicht auf die Wechseljahre hat mich beeindruckt. Wer weiß, wie viel Unbeschwertes die nächsten Jahre noch so mit sich bringen. Herbstblues hin oder her, ich nehme mir gerade vor, offen und neugierig die nächsten Monate anzugehen. Wahrscheinlich muss auch erst eine Phase abgeschlossen sein, bevor sie mit ein wenig Abstand betrachtet und beurteilt werden kann. Und im Moment bin ich eben noch mitten drin in den Wechseljahren.
Da müssen dann eben auch mal ein paar Herbsttränen rollen.
Liebe Grüße
Von Lisa
Danke für diesen Post.